Im Gespräch mit: Daniel Langwasser, 2. Vorsitzender BVCM, selbständiger Berater

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Daniel Langwasser ist so ein bisschen „Mr. Community Manager“ persönlich. Bereits 1997 (im zarten Alter von 17) rief er seine erste Community Akt.de ins Leben. Darüber hinaus macht er sich im Bundesverband Community Management e.V. als zweiter Vorsitzender verdient. Auch die Organisation des monatlich in Frankfurt stattfindenden Community Manager-Stammtisches hat er übernommen.

Auf seinem Blog Community Management.de, Facebook und über Twitter schreibt er regelmäßig über Themen, die sich mit Communitys und Community Management beschäftigen. Außerdem ist er seit einigen Jahren als selbstständiger Berater aktiv und bietet seinen Kunden Hilfestellungen rund um die Konzeption, den Aufbau und die Betreuung von Communitys. In regelmäßigen Abständen gibt er auch Seminare zum Thema Community Management.

Matthias Bastian: Daniel, danke für dieses Interview. Mein Standard-Repertoire an Eingangsfragen spare ich mir an dieser Stelle, denn die meisten davon hast Du bereits in deinem Weblog ausführlich beantwortet. Meine erste Frage an dich lautet deshalb: Differenzierst du unterschiedliche Arten von Communitys? Wenn ja, welche?

Daniel Langwasser: Ich habe zu danken!
Bezüglich der Frage: Eine klare Typologie nutze ich persönlich nicht. Im Rahmen eines Seminars an der Zukunftsakademie haben wir versucht, die einzelnen Communitys nach dem Grad der Bindung der Mitglieder an die Plattform und den Möglichkeiten zur Interaktion/Beteiligung (Enhancement) zu unterscheiden. Das Konzept ist aber noch nicht ausgereift. Ansonsten nutze ich die Sichtweise aus dem Blickwinkel des Community Management, d.h. ob ich zentral oder dezentral agiere, und unterscheide anhand der Technik und natürlich den Plattformen selbst.

Matthias Bastian: Wo siehst du die Vor- und Nachteile einer zentralen Community-Plattform im Vergleich zu einer dezentralen Plattform?

Daniel Langwasser: Bei einer zentralen Lösung, d.h. einer eigenen Plattform, ist das Investment in die Technik höher. Dafür bin ich relativ uneingeschränkt in den möglichen Funktionen und kann die Regeln für die Community nach eigenem Gusto definieren. Bei einer dezentralen Lösung (z.B. einer Facebook-Page) spare ich mir das Investment in die Technik und habe den Vorteil, dass die Mitglieder sich nicht separat registrieren und somit ein weiteres Profil pflegen müssen. Im Gegenzug binde ich mich aber an einen bestimmten Anbieter und kann mit der Community nur in dem Rahmen agieren, wie es der Betreiber der dezentralen Plattform zulässt. Welche Lösung die passende ist, kann man immer nur für den Einzelfall entscheiden.

Matthias Bastian: Denkst du, dass dezentrale Plattformen, insbesondere wegen Facebook, zentralen Communitys langfristig den Rang ablaufen könnten (oder es schon getan haben)?

Daniel Langwasser: Beide Formen werden auch in Zukunft Ihre Berechtigung haben. Auch wenn gerade Facebook zunehmend an Bedeutung als übergreifendes Community-Netzwerk gewinnt, wird es immer Themen geben, die sich nicht innerhalb der großen Plattformen abbilden lassen. Sei es z.B. aus technischen Gründen (fehlende Funktionen) oder aus rechtlichen Gründen. Mit den neusten Weiterentwicklungen von Facebook wird aber auch deutlich, dass gerade die großen Netzwerke auch als Hub/Verknüpfung für „special interest“ Angebote dienen können und wohl auch werden.
  
Matthias Bastian: Facebook, Twitter, Foren - bringt jede Plattform zwangsläufig eigene Kommunikationsregeln mit sich?

Daniel Langwasser: Im Grundsatz ja. Alleine schon bedingt durch den zur Verfügung stehenden Raum (Zeichen, Funktionen), die Thematik der Diskussion, die angesprochenen Personen und die Bindung an die Plattform (eng vs. Locker).
Um bei den eingangs genannten Beispielen zu bleiben:
In Facebook sehe ich definierte Gruppen, z.B. meine Freunde, die Kommunikation hat oft eher privaten Charakter und da ich die Leute meist persönlich kenne, ist meine Bindung an die Gruppe auch enger.

Bei Twitter dagegen schreibe ich potentiell die ganze Welt an, mindestens aber meine Follower. Hier habe ich meist eine Mischung aus privaten Inhalten und Business-Themen. Die Kommunikation ist direkter und erinnert manchmal ein wenig an Broadcasting. Die Bindung innerhalb der Twitter-„Community“ ist meist eher lose.

Foren sind in jeder Hinsicht recht flexibel – sie können sowohl enge als auch lose Bindungen produzieren (und haben viele anonyme Leser), bieten Raum für kurze Texte, werden aber meist für längere Fragestellungen und Diskussionen genutzt. Thematisch gibt es hier alle Schwerpunkte, sowohl was den privaten als auch geschäftlichen Bereiche angeht. Allerdings hat man in einem Forum meist ein „Fachthema“, das vorgegeben ist und die Kommunikation entsprechend prägt.

Matthias Bastian: In diesem Zusammenhang - was hältst du vom Konzept eines Community-Hubs, das beispielsweise von Dirk Songür in seinem Blog beschrieben wird?

Daniel Langwasser: Dirks Ausführungen zu diesem Thema verfolge ich mit Spannung und bringe das Konzept auch schon den ersten Kunden näher. Hier sehe ich viel Entwicklungspotential für die nächsten Jahre. Im Internet sind Angebote immer dann erfolgreich geworden (Yahoo, Google, Facebook), wenn sie es geschafft haben, die Informationsflut sinnvoll aufzubereiten und zugänglich zu machen. Genau an diesem Punkt stehen wir gerade bei den Communitys, die Idee von Hubs kommt also genau zur richtigen Zeit. Bis alle Schnittstellen und Funktionen passen, wird es aber noch einige Zeit dauern.

Matthias Bastian: Du hast ziemlich viel Erfahrung im Community Management, auch im operativen Bereich – was denkst du, wie viel Kontrolle sollte man über eine Community ausüben? Wie hält man am besten die Waage zwischen problematischer Zensur und möglichem Kontrollverlust?

Daniel Langwasser: Meine Empfehlung ist immer, ein klares Regelwerk aufzustellen, was in der Community erlaubt und erwünscht ist. Gibt es Verstöße gegen das Regelwerk, kann man sich als Community Manager dann konkret auf dieses Regelwerk berufen. So kommt gar nicht erst der Verdacht der Zensur auf und die Mitglieder wissen klar woran sie sind.

Matthias Bastian: In vielen Communitys, insbesondere in Diskussionsforen, sind die User anonym unterwegs – glaubst du, dass diese Anonymität auch das Verhalten der Nutzer beeinflusst?

Daniel Langwasser: Ich glaube, das Problem ist weniger die Anonymität, sondern eher der Aspekt, dass man dem Gegenüber nicht in die Augen sehen muss – insbesondere bei hitzigen Debatten. Face to Face würde die eine oder andere Diskussion mit Sicherheit weniger deutlich ausfallen.

Matthias Bastian: In diesem Kontext: Wie wichtig ist es, dass man innerhalb einer Community den Usern Möglichkeiten gibt zu “sozialisieren”, um den Zusammenhalt zu stärken? Beispielsweise in einem Off Topic-Bereich.

Daniel Langwasser: Dafür braucht es meines Erachtens keinen separaten Bereich, dies funktioniert auch ganz hervorragend in Fachthemen. Man braucht nur längere Diskussionen in einem Forum verfolgen und erkennt schnell, wie die „Sozialisierung“ in die Diskussion integriert wird. Der Off Topic-Bereich dient eher dazu, etwas mehr Struktur in eine Diskussionsrunde zu bringen und einen Ablageplatz für Nicht-Fachthemen zu schaffen.

Matthias Bastian: Denkst du, dass Communitys eine Art Transparenzdruck auf Unternehmen ausüben können?

Daniel Langwasser: Ja. Gerade wenn ich als Unternehmen eine eigene Community betreibe bzw. im Bereich Social Media aktiv bin, signalisiere ich dem Kunden meine Offenheit zum Dialog. Das erzeugt Nähe. Diese Nähe gilt es aber auch auszuhalten. Dazu gehört auch, dass ich den Kunden unter Umständen näher an das Unternehmen heranlasse und beispielsweise Fehler eingestehe.

Matthias Bastian: Ist es möglich als offizieller Unternehmensvertreter in einer Community aktiv zu sein und dennoch von der Community als wertvolles Mitglied betrachtet zu werden?

Daniel Langwasser: Klares ja. Man wird zwar kritischer beäugt, erhält aber im Regelfall auch die Chance, als Mensch zu wirken. Offenheit und Ehrlichkeit müssen aber hier die oberste Prämisse sein, um entsprechendes Vertrauen überhaupt erst zu erwerben.

Matthias Bastian: Wie handelst du, wenn du merkst, dass eine Diskussion unglücklich verläuft oder außer Kontrolle gerät – wie kann man den Schaden möglichst klein halten?

Daniel Langwasser: Was ist ein negativer Verlauf? Es geht im operativen Community Management nicht darum, zu gewinnen oder den Mitgliedern etwas zu beweisen. Wenn es berechtigte Kritik ist, sollte man offen zu einem Problem oder einem gemachten Fehler stehen. Wird die Diskussion außerhalb der Sachebene (Beleidigungen etc.) geführt, sollte man sie schnellstmöglich aus dem öffentlichen Raum in eine 1 zu 1 Situation (z.B. E-Mail) überführen. Dort kann man versuchen, das Mitglied wieder auf eine Sachebene zu holen.

Matthias Bastian: Das heißt wahrscheinlich, dass man als Community Manager auch den Dialog mit unzufriedenen Kunden oder im Falle eines minderwertigen Produkts suchen sollte?

Daniel Langwasser: Gerade mit den unzufriedenen Kunden sollte man den Dialog suchen. Aus zwei Gründen:
1. Man muss erkennen, warum der Kunde unzufrieden ist – nur so kann ich ihm Hilfestellung geben. 2. Als Unternehmen muss ich demonstrieren, dass ich meine Kunden ernst nehme – und auf ihre Probleme eingehe bzw. sie erkenne.
Bei minderwertigen Produkten kann man, sofern man Rückendeckung vom Unternehmen dazu hat, offen über die Problematik sprechen und nach Möglichkeit Lösungen für das Problem anbieten.

Matthias Bastian: Wie gehe ich am besten mit Kritik aus der Community um?

Daniel Langwasser: Ich sehe Kritik nicht als etwas negatives, sondern immer als Chance, daraus zu lernen. Solange das sachlich abläuft, kann man sich offen damit auseinandersetzen und die Beweggründe des Users ermitteln. Fingerspitzengefühl ist natürlich gefragt - wortstarke Mitglieder bedürfen einer Extra-Portion Aufmerksamkeit, können sich aber auch zu starken Fürsprechern entwickeln, wenn man sich ihrem Problem annimmt.

Matthias Bastian: Und was mache ich mit Trollen?

Daniel Langwasser: Ein stark kritisierender User ist noch lange kein Troll. Trolle tragen nichts Sinnvolles zur Diskussion bei, stören den Community-Betrieb und sind somit nach dem ersten Regelverstoß auszuschließen.

Matthias Bastian: Die anderen Regelbrecher schicke ich direkt hinterher?

Daniel Langwasser: Nein, nicht direkt, da geht man am Besten stufenweise vor.
Schritt 1: Hinweis darauf, dass gegen die Regeln verstoßen wurde mit der Bitte um Einhaltung.
Schritt 2: Bei erneutem Verstoß - Hinweis und letzte Verwarnung, dass bei wiederholtem Fehlverhalten die Sperrung droht.
Schritt 3: Je nach Schwere des Verstoßes und den Regeln der Community entweder temporäre Sperrung oder Löschung des Accounts.

Matthias Bastian: Daniel, du hast sicher schon einmal, ganz am Rande, den Begriff „Web 2.0“ kennengelernt. Glaubst du, dass passend dazu eine Art Kultur 2.0 in Communitys präsent ist? Wenn ja, wodurch zeichnet sich diese aus?

Daniel Langwasser: Ich glaube nicht, dass es eine Kultur 2.0 gibt. In Communitys werden meines Erachtens keine wirklichen neuen Werte gelebt, sondern das Offline-Leben in die Online-Welt erweitert. Mit allen positiven und negativen Aspekten. Das oftmals angeführte Beispiel der Offenheit, z.B. private Details preiszugeben, sehe ich nicht als Kulturwechsel. Eine Veränderung sehe ich aber grundsätzlich in der Offenheit der Kommunikation.

Matthias Bastian: Mehr Offenheit in der Kommunikation kann auch mehr Risiko bedeuten. Stichwort: Partybilder.

Daniel Langwasser: Die Bereitschaft, vermeintlich private Details preiszugeben steigt nicht unbedingt - aber der Kreis derer, die ich in meinem „privaten Umfeld“ akzeptiere, wächst. Partybilder für jeden öffentlich zugänglich zu machen, ist in meinen Augen keine Kultur 2.0, sondern schlicht mangelnde Medienkompetenz.

Matthias Bastian: Benutzt du eine User-Typologie wie beispielsweise das Bartle-Modell?

Daniel Langwasser:
Innerhalb der von mir betreuten Communitys gibt es keine offizielle Typologie und damit verbundene Kommunikationsrichtlinien. Die Moderatoren bringen entsprechende Erfahrung mit und merken sehr schnell, wie mit einem Mitglied umzugehen ist. Schemata mögen für sehr große Communitys oder Moderatoren mit wenig Erfahrungshintergrund sinnvoll sein, bergen aber auch immer die Gefahr, dass man zu stark in Schubladen denkt und nicht auf den einzelnen Menschen eingeht. Zumal kaum ein Mitglied nur Verhaltensweisen eines Nutzertypus zeigt, das kann z.B. auch sehr stark von der Tagesform oder dem Anlass abhängen.

Matthias Bastian: Was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren beim Aufbau einer neuen Community?

Daniel Langwasser: Der Nutzen für die zukünftigen Mitglieder muss von Anfang an klar sein. Ich werde nur eine erfolgreiche Community etablieren können, wenn es a) einen Bedarf gibt und ich b) den potentiellen Mitgliedern einen echten Mehrwert im Vergleich zu ihrer aktuellen Situation bieten kann. Beispiel Hundebesitzer: Es gab schon immer Austausch zwischen Hundebesitzern, sei es beim Gassi gehen oder organisiert in Vereinen. Hunde-Communitys greifen genau diesen Aspekt auf und vereinfachen den Mitgliedern die Kommunikation – Fotos werden getauscht, es gibt Tipps zur Ernährung und es werden Treffen organisiert. Der Mehrwert entscheidet!

Matthias Bastian: Der Mehrwert bringt die User also in die Community – und was hält sie dort?

Daniel Langwasser: Auch der Mehrwert. Man muss darauf achten, dass der Mehrwert erhalten bleibt. Klingt banaler als es ist, aber letztendlich geht es genau darum. Der Mehrwert ist etwas sehr individuelles, das kann Wertschätzung sein, es können aber auch monetäre Aspekte sein. Verschwindet der Mehrwert, verschwindet auch das Mitglied.

Matthias Bastian: Community Management spielt eine große Rolle in der direkten Kundenkommunikation über das Internet. In Ihrem Weblog prophezeist du diesem Berufsbild eine gute Zukunft. Denkst du, dass der Community Manager in Zukunft eine wichtigere Rolle inne haben wird als bspw. gute Kontakte zu Journalisten? Diese holen ihre Informationen ja zum Teil auch schon aus Communitys.

Daniel Langwasser: Auch der Community Manager lebt letztendlich von seinen Kontakten. Auf der strategischen Ebene zu den Dienstleistern, zu anderen Community Managern oder innerhalb des Unternehmens. Auf der operativen Ebene zu den Mitgliedern und Moderatoren. Ich glaube nicht, dass Community Management klassische PR-Arbeit ablösen wird, eher wird es eine Ergänzung geben. Es wird auch in fünf oder zehn Jahren für ein Unternehmen wichtig sein, gute Kontakte zur schreibenden Zunft zu haben - seien es klassische Journalisten oder Blogger. Aber es kommt eine neue Ebene hinzu, eben die Kommunikationen direkt mit dem Kunden ohne Umwege über die Massenmedien.

Matthias Bastian: Zum Abschluss noch eine Frage, die an deinen Erfahrungsschatz appelliert – hattest du auch schon einmal richtige Schwierigkeiten, gutes Management in einer Community zu betreiben?

Daniel Langwasser: Schwierig wird es immer dann, wenn die Rahmenbedingungen für das Community Management nicht passend sind. Bei einem früheren Arbeitgeber waren die Strukturen nicht auf die direkte Kommunikation mit den Kunden eingerichtet. Das fing mit den Befürchtungen der Rechtsabteilung (Stichwort Forenhaftung) an und hatte zur Folge, dass das Community-Team nicht offiziell in den Foren lesen durfte, um sich die Inhalte nicht „zu eigen“ zu machen. Auch der Betriebsrat hatte seine Vorbehalte in Bezug auf die Arbeitszeiten: Community Management kann eben nicht nur Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr stattfinden, sondern muss sich dem Takt der Community anpassen.

Matthias Bastian: Daniel, vielen Dank für dieses Gespräch – und eine Menge interessanter Antworten!

Unknown

Dipl. Online-Journalist, Online-Marketing-Nerd, VR-Evangelist

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